Nachgefragt bei
Andre Schnabel, Leiter des deutschen OpenOffice.org-Projekts
Was halten Sie für die wichtigsten Neuerungen in der aktuellen Version?
Für mich ganz klar der PDF-Export, der aus einem beliebigen OpenOffice.org Dokument mit
nur einem Klick eine PDF-Datei erzeugt. Damit hat jeder die Möglichkeit, fertige
Dokumente weiterzugeben, ohne dass der Empfänger Angst vor Makroviren oder ähnlichen
aktiven Inhalten haben muss.
Die Version 1.1 verspricht verbesserte Import- und Export-Filter. Was hat sich verändert?
Zum einen hat sich die Anzahl der verfügbaren Filter vergrößert. So sind DocBook, verschiedene
PDA-Formate, konfigurierbare XML-Filter sowie der erwähnte PDF-Export und Makromedia Flash
Export für Präsentationen hinzugekommen. Zum anderen wurden bestehende Filter überarbeitet
und verbessert. Die wichtigsten Filter sind natürlich die für Microsoft Office Formate.
Beim Word Import wurde z.B. die Positionierung von Textrahmen und Grafiken verbessert,
Calc übernimmt Diagramme aus Excel mit mehr Details, Impress kann mehr Effekte aus
Powerpoint Präsentationen wiedergeben, als in Version 1.0.
Welche Funktionen sind beim Datenaustausch weiterhin problematisch?
Dokumente mit sehr komplexen Layouts, bei denen es auf exakte Positionierung ankommt
sind weiterhin problematisch, oft aber mit wenigen Handgriffen zu korrigieren.
Einige Beschränkungen beim Datenimport können allerdings nicht allein durch
Verbesserung der Dateifilter gelöst werden. So ist eine Calc Tabelle momentan
noch auf 32.000 Zeilen beschränkt, das Tabellenmodell im Writer ist weniger
komplex als das von Word, Impress kennt nicht alle Effekte von Powerpoint.
Diese Themen werden aber für die Version 2.0 angegangen. Was auch in Zukunft
kaum zu lösen ist, ist der automatische Import von VBA-Makros. Hier sind die
Konzepte von VBA und OOo-Basic und die dahinterliegenden Konzepte zu verschieden.
Wie kann man an der Verbesserung der Filter mitwirken? Sollen Beispieldokumente eingesendet werden?
Beispieldokumente können und sollen eingesendet werden. Wichtig dabei ist, dass im Dokument möglichst genau ein
Importproblem ersichtlich ist. Der einfachste Weg ist, auf unserer User-Liste nachzufragen, ob ein konkretes
Problem bereits bekannt ist. Hier findet man auch schnell Antwort, wie es zu umgehen ist, oder wo man
seine Beispiele einsenden kann.
Was geschieht mit eingesendeten Bug-Reports?
Fehler auch Verbesserungsvorschläge für OpenOffice.org kann man online
über "Issuezilla" an die Entwickler melden. Da Issuezilla für den
Endanwender aber nicht gerade einfach zu bedienen ist (zumindest
beim ersten Mal) und die Einträge nicht immer perfekt sind, werden
sie im ersten Schritt von Mitgliedern des QA-Projektes aufgenommen.
Diese fragen nach, wenn wichtige Informationen fehlen, erklären ggf.,
wie man Beispieldateien anhängen kann, prüfen, ob der Fehler nicht
bereits bekannt ist und geben die Meldung letztendlich an einen
zuständigen Entwickler weiter. Dieser Entwickler (oder ein
Entwickler aus dem gleichen Team) greift die Fehlermeldung
dann auf, schätzt die mögliche Lösung ab und behebt den Fehler.
Da dieser Prozess nicht trivial ist, hilft es sehr, wenn die
Fehlerbeschreibung möglichst treffend ist. Freiwillige auf den
Mailinglisten oder aus dem QA-Projekt helfen aber dabei, diese
zu formulieren.
Gibt es Unterschiede zwischen der Linux-Variante und der Windows-Version?
Wenige, die für den Endanwender wirklich relevant und spürbar sind. Die Dialoge
für die Dateiauswahl sehen unter Linux z.B. anders aus und einige Windows-spezifische
Funktionen wie das Einbetten von OLE-Objekten steht nicht zur Verfügung. Abgesehen
davon sind Oberfläche, Bedienung und Dateiformate nahezu identisch.
Es gab in eine Reihe von Funktionen, die Benutzer des StarOffice 5.2
sehr geschätzt haben, wie die Groupware Funktionen oder Serien-Emails.
Wird es das in OOo wieder geben?
Ja. Es wird intensiv an einer Groupware Lösung gearbeitet. Im vergangen Jahr
wurde dafür ein eigenes Projekt etabliert. Die Planung sieht vor, dass
OpenOffice.org einen eigenständigen Groupware Client (Glow) erhält,
der auf verschiedene etablierte Groupware Server (z.B OpenGroupware.org
oder PHPGroupware) zugreifen kann. Erst kürzlich wurde die Version 0.2 von
Glow vorgestellt, mit einer stabilen Version ist Mitte nächsten Jahres zu rechnen.
Wie sieht prinzipiell die Roadmap für die Weiterentwicklung von OOo
aus und wie kann man eigene Anregungen geben?
OpenOffice.org 2.0 soll in ca. 18 Monaten verfügbar sein, erste Entwicklerversionen
stehen schon jetzt zum Download bereit. Das Konzept für OpenOffice.org 2.0
wurde unter der Bezeichnung "Q Concept" im August vorgestellt und in der
Community diskutiert. Das bedeutet aber keineswegs, dass nur dort beschriebene
Neuerungen in OpenOffice.org einfließen werden. Weitere Vorschläge können über
die Mailinglisten diskutiert werden. Man sollte sich aber darauf einrichten,
die Diskussion in Englisch zu führen, da Entwickler und Anwender über die
ganze Welt verteilt sind. Die besten Chancen, in die nächste Version einzufließen
haben natürlich die Neuerungen, bei deren Entwicklung man selbst mithilft.
Wie beurteilen Sie die Meldung, dass Microsoft die XML-basierenden
Dateiformate seiner aktuellen Bürosuite Office 2003 kostenlos lizenzieren will?
Es ist mit Sicherheit ein Schritt in die richtige Richtung, nämlich dem Anwender die
Möglichkeit zu geben, seine Daten auch unabhängig von einer speziellen Software
benutzen zu können. Dass dies ohne zusätzliche Lizenzgebühren möglich sein soll,
kann nur positiv für die Anwender sein. Allerdings gibt es einige Einschränkungen,
die diesen positiven Effekt aufheben könnten.
So ist nur das Kopieren, Anzeigen und Weitergeben der Spezifikation lizenzkostenfrei
zulässig. Um mithilfe der Spezifikationen Dokumente im- oder exportieren zu können,
verweist Microsoft auf eine zweite, die sogenannte "patent license", für die durchaus
Lizenzkosten anfallen könnten. Außerdem sollte man nicht vergessen, dass XML keineswegs
das Standardformat für Microsoft Office Dateien ist. Der Großteil der Microsoft Office
Benutzer wird seine Dateien weiterhin im proprietären Standard Format ablegen und ist
damit an Microsoft Office oder den Umweg über Importfilter gebunden. OpenOffice.org
benutzt in allen Applikationen XML als Dateiformat. Die entsprechende XML Spezifikation
ist bereits seit 3 Jahren frei verfügbar und bildet die Diskussionsgrundlage für das Open
Office File format. Diese Spezifikation wird zur Zeit unter dem Dach der OASIS zwischen
Vertretern von Corel, Boeing, 1dok.org, SUN, den "National Archives of Australia"
und anderen diskutiert.
Dieses Interview ist in der LiNUX INTERN 1/2004 (bis auf winzige Korrekturen) erschienen.
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